Wie viele Dinge besitzt du? Ich möchte behaupten: zu viele.

Denn es ist nicht der Besitz, der uns glücklich macht, sondern unsere Erfahrungen. Erfahrungen mit Menschen, Impressionen von Reisen und gute Gespräche.

Zahlreiche Studien haben versucht diese These zu verifizieren. In diesem Zusammenhang bin ich zufällig über ein Essay gestolpert und es hat mich zum Nachdenken gebracht. Das Essay stammt aus dem Jahr 2013 und wurde von Joseph Chancellor und Sonja Lyubomirsky an der Universität in Kalifornien unter dem Titel Money for Happiness: The Hedonic Benefits of Thrift (Quelle) veröffentlicht.

Das Essay kommt – wen wundert es – ebenso zu der Erkenntnis: Erfahrungen machen uns glücklicher als Geld oder materieller Besitz. Aber warum ist das der Fall? Die Verfasser:innen versuchen ihre Beobachtungen anhand von sieben Thesen zu erläutern.

Meine Gedanken und Selbstreflexionen dazu möchte an dieser Stelle mit dir teilen.

Die sieben Thesen zum Glück durch Erfahrungen

1. Besitz ist ein Vergnügen, Erfahrungen sind Aufregung.

Erfahrungen sind Dinge in unserem Leben, die in genmeisten Fällen mit einer Aktivität unsererseits verbunden sind. Wir reisen, treiben Sport, klettern auf einen Berg oder wandern durch die Natur. In einem gewissen Maß sind wir gezwungen aktiv zu werden, wenn wir eine Erfahrung machen möchten. Indem wir uns aktiv an einer Sache beteiligen, erfahren wir Glück.

„Rather than constantly buying new possessions, a thrifty strategy is taking what one already owns and doing something new with it. For example, one could take along family and friends in an adventure in one’s car, throw a party on a new deck, or download a new app for one’s smartphone.“

2. Besitz ist vorhersehbar, aber Erfahrungen sind voller Überraschungen.

Die Forschungen haben ergeben, dass wir Menschen uns schneller an Besitz gewöhnen als an Erfahrungen. Begründet wird dies durch unsere Natur: Besitz ist vorhersehbar, Erfahrungen sind dies in den meisten Fällen nicht. Wir Menschen benötigen Zeit, um uns an Situationen zu gewöhnen, in denen wir Unvorhergesehenem ausgesetzt sind.

Kaufen wir uns ein neues Sofa, erfreuen wir uns daran. Nach wenigen Wochen nehmen wir es aber nur noch selten bis gar nicht aktiv wahr. Es ist da, wir haben uns daran gewöhnt. Es ist ein weiteres „Ding“ in unserem, lediglich ein weiterer Besitz.

Im Gegensatz dazu stehen die Erfahrungen, die wir machen. Wenn wir zum Beispiel verreisen, wissen wir nicht, was uns Zielort erwartet. Welche Menschen werden uns begegnen? Wird die Reise von unvorhergesehenen Ereignissen in eine unerwartete Richtung gelenkt? Die Anzahl der möglichen Überraschungen ist nahezu endlos. Deswegen neigen wir dazu, uns an diese Erfahrungen länger zu erinnern.

„In general, people adapt to possessions much more quickly than to experiences. A key reason is that variable stimuli resist adaption longer then unchanging ones. Variety, in both thoughts and behaviors, appears to be innately stimulating and rewarding. An ocean cruise to the same island varies substantially each time, but a decorative vase only manages to accumulate dust. Of course people can add variety to possessions, too. Simply rearranging the furniture makes it stand out again, just like when it was first acquired, if only for a short time.“

3. Besitz zerbricht, Erinnerungen werden besser.

Den meisten materiellen Dingen ist vorherbestimmt, dass sie im Laufe der Zeit zerbrechen. Sie funktionieren nicht mehr, verlieren den ihnen den einst zugemessenen Wert. Unsere Erinnerungen und Erfahrungen bleiben uns dagegen nicht nur erhalten, sie werden sogar besser.

„In the same way that a family story gets more exaggerated and funny each time Grandpa tells it, memories become more positive as time passes—a phenomenon known as “rosy recollection”. When recalling college, people may fondly remember cherished friends and zany weekend adventures, but not the homesickness or the stress of term papers. When replaying experiences in our mind’s eye, like a zealous movie editor, we often leave the boring and forgettable scenes on Thrift 34 the cutting room floor to produce a more enjoyable flick. But possessions, such as cars and gizmos, just accumulate scratches and dents, until they end up in a junkyard or landfill.“

Es sind aus diesem Kontext heraus die Erinnerungen, die uns mit anderen gemeinsam lachen lassen.

4. Besitz kostet Geld, viele Erfahrungen dagegen sind kostenlos.

Die besten Erfahrungen in unserem Leben sind kostenlos. Verlieben wir uns, ist es ein unbeschreibliches Gefühl und es kostet uns keinen einzigen Cent. Erinnerungen an das erste gemeinsame Date mit der Freundin oder den ersten gemeinsamen Kuss kann kein Besitz der Welt aufwiegen.

„Creative people can make an adventure out of almost anything.“

Diesen Satz sollte man in sich wirken lassen. Es gibt viele Dinge in unserem Alltag, die uns zu selbstverständlich erscheinen und denen wir mehr Beachtung schenken sollten.

5. Besitz befriedigt nicht unsere grundlegendsten Bedürfnisse, die richtigen Erfahrungen schon.

Wir neigen zu der Tendenz zu denken, dass unsere nächste Anschaffung diejenige ist, die uns allumfassend glücklich sein lässt. Ich habe alles, was ich brauche, lediglich das neue Handy fehlt das Leben und mir ist rundum perfekt. Hand aufs Herz: Wer hat diesen Gedanken noch nicht in seinem Leben gehabt?

Dass wir diese Gedanken haben, ist normal. Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat die Bedürfnisse von Menschen untersucht und hat diese in der sogenannten Bedürfnispyramide zusammengefasst.

Grundlegend sind demnach für uns in erster Linie physiologische Bedürfnisse. Wir müssen essen, benötigen Wärme, Nähe und Zuneigung. Sind diese Bedürfnisse gestellt, ist das nächst höchste Bedürfnis das nach Sicherheit. Wir wollen in Sicherheit wohnen und vor allen Dingen schlafen, wollen vor Übergriffen von Dritten geschützt sein.

Das Streben nach Besitz fällt in dieser Pyramide – je nach Mensch und Ansinnen – in den Bereich der Individualbedürfnisse oder der Selbstverwirklichung. Ist für den einen das Schreiben und die Veröffentlichung eines Buches ein Indiz für Selbstveröffentlichung, ist es für andere der teure Sportwagen.

Es ist ein Trugschluss, dass Besitz unsere Bedürfnisse langfristig stillen kann und uns glücklich macht. Besitz ist Glück auf Raten und somit nicht von Dauer.

„Even when basic physical needs are met, people still crave competence, autonomy, and connections with other people. An experience, rather than a possession, is more likely to address one or more of these needs. For example, even the most mundane activity—such as buying groceries or visiting the doctor—becomes fun when a friend comes along. Activities are more naturally shared, anticipated, and relived with others, and doing so can build and strengthen relationships. Experiences often involve unexpected challenges or adventures, which can help us learn and build competence. Conversely, once bought, continuing to possess something is rarely a challenge, unless one has overspent and a creditor is repossessing.“

6. Besitz verleitet zu Vergleichen mit anderen, Erfahrungen sind einzigartig.

Der Satz: „Ich vergleiche mich nicht mit anderen“ ist jedem von uns schon einmal über die Lippen gekommen. Aber wir tun es trotzdem: Wir vergleichen uns ständig – mit dem Nachbarn, den Freunden, mit den Arbeitskollegen. Wer besitzt was, wer besitzt mehr? Mit den Erfahrungen ist es anders. Selbst wenn wir mit unseren Freunden am gleichen Ort sind, erlebt jeder das Erlebte/das Gesehene anders.

Die Autor:innen heben diese Tatsache in ihrem Essay auch besonders hervor:

„No sooner does one buy a 30 GB iPod than a 40 GB version hits the market at the same price. But trips, adventures, and excursions, because they are richer, more variable, and more individualized, resist comparisons to a larger degree. One pair of newlyweds explores a California beach while another jets to a Costa Rican rainforest. Unless one works as a travel agent, equating the two vacations takes a Thrift 35 good deal of effort and imagination. Also, the crucial aspects of any memorable experience may be the most difficult to compare. Even if Sally had gone scuba diving like her roommate, she would not have had the same awe-inspiring glimpse of a whale shark. Although Ben’s honeymoon was shorter than that of his friends, only he enjoyed the company of his wife.“

7. Wir sind die Summe unserer Erfahrungen, nicht unseres Besitzes.

Im Verlaufe dieses Artikels sollte verdeutlicht worden sein: Unser Besitz definiert uns nicht. Und wir sollten auch nicht weiter versuchen, uns über unsere Besitztümer zu definieren, denn dann begeben wir uns in einen niemals endenden Abwärtsstrudel.

Unsere Erfahrungen sind es, die uns definieren. Besonders die schwierigen Erfahrungen und Erinnerungen sind im Rückspiegel oft diejenigen, die unsere Persönlichkeit gestärkt und uns für zukünftige Konflikte gewappnet haben.

„People identify with their experiences far more than their possessions. Possessions always remain apart from us – tucked away on a shelf or in storage. But experiences are encoded into our existence and our ‚affective endowments‘. They become a part of us – in our minds and memories. One cannot help but carry them everywhere.“

Der angeführte Auszug drückt deutlich aus, worin der Unterschied besteht. Erfahrungen werden ein Teil von uns, wir haben sie immer bei uns und können sie an jeden beliebigen Ort mitnehmen.

Mit dem Besitz ist es weitaus schwieriger.

Abschließende Gedanken

Das Essay legt – meiner Meinung nach – eindrucksvoll dar, dass unsere Erinnerungen und Erfahrungen weitaus mehr Wert generieren als uns Besitz. Sie sind umsonst, erfüllen uns und sind ein Leben lang an unserer Seite.

Published On: November 26th, 2021 / Kategorien: Mindset / Schlagwörter: , , /

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